Zwickau und der NSU: Erstmals Hinterbliebene von NSU-Todesopfern zu Gast in Zwickau
Mittwoch
30 Okt.
2024
Ein Stück Stadtgeschichte, das bis heute prägt: Am 4. November 2011 explodierte in der Zwickauer Frühlingsstraße um 15.08 Uhr ein Haus – und mit ihm implodierten viele Gewissheiten einer Stadtgesellschaft. Die (Selbst-)Enttarnung des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist eines der Ereignisse, mit denen sich die Novembertage auseinandersetzen. Stand lange die Radikalisierung des Kerntrios im Fokus, rücken auch in Zwickau zunehmend die Betroffenen und Angehörigen in den Blick.
Vergangenheit, die bleibt: Hinterbliebene und die Aufarbeitung des NSU
Zum ersten Mal kommen nun Hinterbliebene der vom NSU getöteten Menschen zu Besuch und machen ihre Sicht auf die Aufarbeitung des NSU-Komplex sichtbar. Mehmet O. gehört zu den ersten Opfern, Mandy Boulgarides ist die Tochter von Theodoros Boulgarides, der am 15. Juni 2005 in München von den Rechtsterroristen ermordet wurde. Beide sprechen erstmalig in Zwickau über ihren Verlust, über die Anschuldigungen seitens der Polizei und darüber, was ihnen das Datum 4. November bedeutet. Das Gespräch findet am Samstag, 2. November ab 20.00 Uhr im Saal der Kulturweberei (Seilerstraße) statt. Eintritt frei.
Gedenken an die Opfer des NSU
Das Zwickauer Demokratiebündnis ruft für Montag, 4. November zum gemeinsamen Gedenken an die Opfer des NSU-Komplex auf. An den Gedenkbäumen am Schwanenteich werden ab
17 Uhr die Namen der getöteten Menschen verlesen, um an sie zu erinnern und aufzuzeigen, welche gravierenden Folgen Rechtsextremismus bis heute hat.
Darüber hinaus verlesen Susanne Hartzsch-Trauer, Beirätin des Demokratiebündnisses, und Dirk Löschner, Generalintendant des Theaters Plauen-Zwickau, Zitate aus dem Buch „Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen: Was der NSU-Terror für die Opfer und Angehörigen bedeutet“ von Barbara John.
Dem Gedenken wohnen außerdem zwei hochrangige Politikerinnen bei: Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) und Gesine Märtens (Bündnis 90/Die Grünen), Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung.
Es besteht die Möglichkeit, selbst mitgebrachte Kerzen aufzustellen oder Blumen niederzulegen. Außerdem können an diesem Tag auch Origami-Kraniche in die Gedenkbäume am Schwanenteich gehangen werden. Mit diesem Symbol der Weisheit, der Langlebigkeit und des Glücks erinnert das Demokratiebündnis seit 2022 gemeinsam mit Zwickauer Schulen an die Opfer – wider das Vergessen fliegen jeweils zum Geburtstag dieser Menschen bunte Papier-Kraniche am jeweiligen Gedenkbaum im Wind.
Die Ausstellung „Zwickau und der NSU. Auseinandersetzung mit rechtsextremen Taten“ ist noch bis einschließlich Montag, 4. November in der Priesterhäusern zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Schulkino: Mitten in Deutschland: NSU. Die Opfer – Vergesst mich nicht
Im Rahmen der Novembertage können Schulklassen am Montag, 4. November ab 9.30 Uhr im Filmpalast Astoria an einem besonderen Bildungsformat teilnehmen: Der Film „Mitten in Deutschland: NSU. Die Opfer – Vergesst mich nicht“ ist der zweite Teil eines Fernseh-Dreiteilers von Züli Aladağ, der erstmals 2016 in der ARD ausgestrahlt wurde. Das Doku-Drama zeigt eindrücklich, wie wichtig das Erinnern an diese Verbrechen ist, gerade in Zwickau, dem einstigen Rückzugsort des NSU-Kerntrios. Schulen können sich gern noch per E-Mail an demokratie@alter-gasometer.de anmelden. Der Eintritt beträgt 2,50 Euro.
Weitere Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus
Das Format „If the kids are united against racism“ des Vereins Roter Baum e.V. beschäftigt sich u.a. mit dem Stellenwert von Frauen in der rechten Szene (07.11. ab 18 Uhr, Vendetta Rosso) und der Frage, wie Grenzüberschreitungen im Netz auf Zwickaus Straßen landen (09.11. ab 17 Uhr, Vendetta Rosso). Bei ihrer Lesung „Widerstand über alles“ beleuchten die Autoren Johannes Kiess und Michael Nattke die „Freien Sachsen“ (26.11. ab 18 Uhr, Cáfe Die Linke).
Die Novembertage sind eine Veranstaltung vom Bündnis für Demokratie und Toleranz der Zwickauer Region und werden von einer Vielzahl von Akteuren getragen. Koordiniert wird die Veranstaltungsreihe über den Demokratiearbeitsbereich des Alter Gasometer e.V.
HIER geht’s zum digitalen Programmflyer.